Portrait von Holger Seidlitz

Wilhelm-Ostwald-Fellow Prof. Dr. Holger Seidlitz ist Professor für Polymerbasierten Leichtbau an der BTU Cottbus-Senftenberg und leitet den Forschungsbereich Polymermaterialien und Composite PYCO am Fraunhofer IAP

Quelle: BAM

Interview Serie "Kurz vorgestellt: Menschen@BAM"
Prof. Dr. Holger Seidlitz ist Professor für Polymerbasierten Leichtbau an der BTU Cottbus-Senftenberg sowie Leiter des Forschungsbereichs "Polymermaterialien und Composite PYCO" des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP und Wilhelm-Ostwald-Fellow der Abteilung Werkstofftechnik der BAM.

Holger Seidlitz, Sie haben die Professur für Polymerbasierten Leichtbau an der BTU Cottbus-Senftenberg inne, leiten am Fraunhofer IAP den Forschungsbereich “Polymermaterialien und Composite PYCO“ und sind nun auch Wilhelm-Ostwald-Fellow der BAM. Wie wirkt sich das auf Ihre Forschung aus bzw. was sind die Vorteile solch breit gefächerter wissenschaftlicher Kooperationen?

Der Multimaterial-Leichtbau ist per se eine Querschnittsdisziplin. Die konsequente und erfolgreiche Umsetzung von Leichtbauweisen erfordert das interdisziplinäre Zusammenwirken verschiedener Fachdisziplinen. Hierzu zählen insbesondere die Materialwissenschaftler mit einem starken Bezug zur Polymerchemie und -physik, die „maßgeschneiderte Werkstoffe“, z. B. speziell ausgerüstete Matrixwerkstoffe und Halbzeuge, bereitstellen. Fertigungsingenieure wiederum müssen in der Lage sein, hochautomatisierte Fertigungstechnologien umzusetzen und an neuartige Werkstoffsysteme anzupassen. Nicht zuletzt kommt der Werkstoffprüfung während der Produktentwicklung und der abschließenden Bauteilprüfung eine besondere Bedeutung zu, so dass hier die Zusammenarbeit mit der BAM besonders fruchtbar ist. Vor diesem Hintergrund verspreche ich mir von der Bündelung aller Kompetenzen (BAM, BTU und Fraunhofer IAP) auf dem Gebiet der Leichtbauforschung in Brandenburg-Berlin zum einen eine bessere überregionale Sichtbarkeit und zum anderen eine deutliche Steigerung der Schlagkraft bei der Bearbeitung aktueller Forschungsfragen. Im Fokus steht dabei natürlich die gemeinsame Initiierung von Forschungsprojekten zu aktuellen Fragestellungen, z. B. im Bereich der Behältertechnologie bei der Entwicklung von zuverlässigen Tanksystemen zur Speicherung von Wasserstoff für Mobilitätskonzepte der Zukunft. Ein wichtiges Anliegen ist auch die weitere gemeinsame Qualifizierung von Fachkräften im Rahmen von Abschlussarbeiten und weiteren Promotionsvorhaben.

Leichtbau scheint in den vergangenen Jahren zum Trendthema geworden zu sein – woran liegt das Ihrer Ansicht nach und inwiefern kann Leichtbau als Gamechanger verstanden werden?

Leichtbau war streng genommen schon immer ein „Trendthema“, niemand baut z. B. Autos oder Flugzeuge absichtlich schwer. Seine Bedeutung hat jedoch in den letzten Jahren zugenommen, da Leichtbau einen wichtigen Beitrag zur Energieeinsparung und damit zur Reduzierung klimaschädlicher Emissionen leisten kann. In diesem Zusammenhang hat der Einsatz von kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen, insbesondere in der Luftfahrt und im Fahrzeugbau, zu einer erheblichen Steigerung der Nutzlast und der Reichweite geführt. Leichtbau wird zu Recht als Schlüsseltechnologie bezeichnet, da er eine zentrale Rolle spielt und verschiedene Branchen betrifft.

Was fasziniert Sie persönlich an „der Marke ‚Leichtbau‘“?

Die vielfältigen Wechselwirkungen und Abhängigkeiten, deren Beherrschung eine stark interdisziplinäre Teamarbeit erfordert, sind immer wieder spannend – jeden Tag aufs Neue. Insbesondere neue Werkstoffentwicklungen, moderne Fertigungstechnologien und neue Bauweisen. „Leichtbau ist die Kunst des Weglassens“, das erfordert ein hohes Maß an Kreativität und zieht weitere Bereiche wie Simulations- und neuerdings auch KI-basierte Tools an. Langeweile sollte alsobald nicht aufkommen.

An der BAM wird zu Leichtbau unter der Prämisse „maximale Sicherheit und Produktivität bei minimalem Gewicht“ geforscht. Wie würden Sie Leichtbau und Sicherheit zusammendenken? Welche Rolle spielen Sicherheitsaspekte in Ihrer Forschung und Arbeit?

Vor allem dürfen die Prämissen nicht widersprüchlich sein. Leichtbaustrukturen werden zunehmend in sicherheitsrelevanten Bereichen eingesetzt. Die Gewährleistung ausreichender Sicherheit erfordert daher vor allem ein genaues Verständnis der eingesetzten Werkstoffe und deren Wechselwirkung mit den Verarbeitungsprozessen. Letztere haben einen erheblichen Einfluss auf die Bauteileigenschaften und müssen bei der Auslegung unbedingt berücksichtigt werden. Faser-Kunststoff-Verbunde stellen in diesem Zusammenhang eine vergleichsweise noch junge Werkstoffgruppe dar und weisen ein deutlich komplexeres Versagensverhalten auf. Mit der BAM als Partner wird dieser Aspekt zu Recht noch stärker in den Vordergrund rücken.

Professur, Forschungsbereich und Fellowship – was steht als nächstes auf dem Plan?

Mit der Koordination dieser Bereiche bin ich wohl in der nächsten Zeit erst einmal ausgelastet (lacht).

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