03.05.2021
Thermogramm einer Windkraftanlage auf hoher See

Thermogramm einer Windkraftanlage auf hoher See

Quelle: Scandat GmbH/BAM

Windräder müssen extremen Beanspruchungen standhalten. Schäden rechtzeitig zu erkennen, ist für diejenigen, die die Anlagen betreiben, entscheidend, um größere Reparaturen oder Totalausfälle zu vermeiden. Die BAM entwickelt das Verfahren der passiven Thermografie weiter, um es rasch in die Anwendung zu bringen.

Besonders die Rotorblätter von Windkraftanlagen sind der Witterung, Blitzeinschlägen und auf hoher See dem Salzwasser des Meeres ausgesetzt. Innere Schäden wie beginnende Risse, Delaminationen des Kunststoffs oder sich lösende Verklebungen sind selbst aus nächster Nähe oft nicht zu erkennen. Zudem sind solche Inspektionen aufwändig und teuer.

Zugleich sind sie aber unverzichtbar, um Schäden rechtzeitig zu erkennen und kostenintensive größere Reparaturen oder Totalausfälle zu vermeiden und den sicheren Betrieb der Anlagen zu gewährleisten.

Um in Zukunft eine kostengünstige, praktikable und zugleich sichere Methode für Wartungen zu ermöglichen, hat die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) das Verfahren der passiven Thermografie adaptiert.

„Es basiert auf der Messung der Oberflächentemperaturen der Bauteile und nutzt zugleich die Sonneneinstrahlung und den natürlichen Temperaturverlauf über den Tag“, erklärt Rainer Krankenhagen, Experte für thermografische Verfahren an der BAM. „Mit einer Infrarotkamera werden dabei vom Boden oder aus der Luft die besonders beanspruchten Rotorblätter einer Windkraftanlage erfasst. Aus den räumlichen und zeitlichen Temperaturverläufen innerhalb des Bauteils können wir Informationen über verborgende Schäden oder strukturmechanische Eigenschaften ableiten.“

Dabei ist es entscheidend, zum Zeitpunkt maximaler Temperaturkontraste zu messen, um den an sich sehr schwachen Effekt zu detektieren: Etwa am sonnigen Morgen nach einer frostigen Nacht oder am Abend eines warmen Sommertages. Dabei ist es eine Herausforderung, den Einfluss äußerer Parameter wie wechselnde Sonneinstrahlung, natürliche Temperaturschwankungen durch Tageszeit oder Wind zu verstehen. Simulationen können hier helfen.

„Wir wollen bei unseren numerischen Simulationen aktuelle Wetterdaten und Wettervorhersagen miteinbeziehen, um die Messungen noch aussagekräftiger machen“, so Rainer Krankenhagen.

Gleichzeitig verwenden die Wissenschaftler*innen das bereits von der BAM patentierte Verfahren der Differenzmessung: Die Temperaturverteilung wird dazu zeitgleich an allen drei sich drehenden Rotorblätter einer Windkraftanlage gemessen und anschließend miteinander verglichen. Differenzen in den Messungen weisen auf mögliche Schäden hin und ermöglichen ein rechtzeitiges Eingreifen.

In dem Projekt EvalTherm, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unter dem Projektträger Forschungszentrum Jülich GmbH gefördert wird, soll das Verfahren der passiven Thermografie jetzt perfektioniert und praxisreif gemacht werden.

Für die sehr komplexen Messungen und Datenauswertungen werden Hard- und Software bestmöglich aufeinander abgestimmt.

Dazu kooperieren in dem Verbundvorhaben unter der Leitung der BAM das Fraunhofer-Institut für Holzforschung, das eine langjährige Expertise bei der Rotorblattinspektion besitzt, die InfraTec GmbH, die eine spezielle drohnentaugliche Infrarotkamera entwickeln wird, sowie die clockworkX GmbH, die auf die Verknüpfung von Anlagendaten mit Mess- und Wetterdaten spezialisiert ist. Die BAM ist neben der Koordinierung des Gesamtprojekts für die Datenauswertung, die Testmessungen und die Simulationen zuständig.

„Wir hoffen, dass unsere Forschungsergebnisse schon bald zu einem marktreifen System führen, das sichere, zuverlässige und zugleich kostengünstigere Inspektionen an den Rotorblättern von Windkraftanlagen erlaubt“, so Rainer Krankenhagen.

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