
Schema, wie das erweiterte Modell des digitalen Zwillings korrigierte Vorhersagen und eine verbesserte Unsicherheitsquantifizierung ermöglicht.
Quelle: BAM
Digitale Zwillinge – virtuelle Abbilder physischer Systeme – gewinnen zunehmend an Bedeutung für die Entscheidungsfindung im Ingenieurwesen, insbesondere bei komplexen Infrastrukturen wie Brücken. Ihr Nutzen hängt jedoch entscheidend davon ab, wie genau und verlässlich sie das Verhalten des realen Systems abbilden können. Ein zentrales Element zur Gewährleistung der Zuverlässigkeit ist die Quantifizierung und die Berücksichtigung von Unsicherheiten in den Vorhersagen des digitalen Zwillings.
Eine der größten Herausforderungen dabei ist der sogenannte model bias – also die systematischen Abweichungen zwischen dem numerischen Modell und dem tatsächlichen Verhalten der physischen Struktur. Klassische Bayessche Aktualisierungsverfahren, die in erster Linie zur Bestimmung von Modellparametern eingesetzt werden, erfassen solche model bias oft nicht ausreichend – was zu übermäßigem Vertrauen in fehlerhafte Vorhersagen führen kann. In dieser Arbeit werden zwei neue Ansätze zur Identifikation und Korrektur von model bias im Kontext digitaler Zwillinge für Brücken untersucht: eine modularisierte Version des Kennedy and O’Hagan-framework sowie ein Verfahren basierend auf dem Orthogonal Gaussian Processes. Beide Methoden werden systematisch mit klassischen Bayesschen Verfahren anhand repräsentativer Benchmark-Probleme verglichen.
Zur weiteren Leistungssteigerung werden zwei neue Erweiterungen eingeführt: (1) der Einsatz von noise-aware Kernels zur realistischeren Modellierung unbekannter Fehlerquellen sowie (2) die Integration zusätzlicher, außerhalb des Modells liegender Variablen über den Bias. Letzteres erlaubt es beispielsweise, Temperatureffekte auf die statische Antwort einer Brücke zu quantifizieren, ohne das numerische Modell anpassen zu müssen. Die Ergebnisse zeigen, dass diese erweiterten Methoden nicht nur die Vorhersagegenauigkeit verbessern, sondern auch eine deutlich robustere Quantifizierung von Unsicherheiten ermöglichen. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung vertrauenswürdiger und aussagekräftiger digitaler Zwillinge – und damit zu einer sichereren und effizienteren Verwaltung kritischer Infrastrukturen. Diese Arbeit wurde im Rahmen des „Schwerpunktprogramms 2388: SPP100+“ zur Verlängerung der Lebensdauer von Brücken durch Monitoring und in Zusammenarbeit mit dem Zuse Institut Berlin (ZIB) und der Technischen Universität München (TUM) durchgeführt.
Model Bias Identification for Bayesian Calibration of Stochastic Digital Twins of Bridges
Daniel Andrés Arcones, Martin Weiser, Phaedon-Stelios Koutsourelakis, Jörg F. Unger
Applied Stochastic Models in Business and Industry, 2024